Zwischenabwägung Teiländerung Flächennutzungsplan: Verwaltung akzeptiert Falschinformationen und ignoriert behördliche Stellungnahme

Es ist wahrscheinlich ein bisher einmaliger Vorgang, was zur Zeit in der Verwaltung von Sandersdorf-Brehna vor sich geht.

Am 20. März möchte die Verwaltung eine Zwischenabwägung zur Teiländerung des Flächennutzungsplans abhalten. Dafür legt sie den Stadträten einen Abwägungsbericht vor, der in einem für das gesamte Verfahren zentralen Punkt ganz bewußt falsche Tatsachen präsentiert (siehe Punkt 1)

Mit diesem Umstand hat die Verwaltung offensichtlich kein Problem. Dem Vorwurf, daß der Abwägungsbericht Falschinformationen enthält, hat die Bürgermeisterin am 6. März in der Einwohnerfragestunde im HFA (Haupt- und Finanzausschuß) inhaltlich nicht widersprochen.

Unmittelbar damit im Zusammenhang steht die wiederholte Weigerung der Stadt, die Stellungnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte mit in die Abwägungen mit einfließen zu lassen. Diese liegt der Verwaltung seit dem 7. Dezember 2023 vor.

Bei der Begründung, weshalb die Stellungnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte nicht aufgenommen wird, beruft sich die Verwaltung auf das Schreiben eines Anwalts. Die Gründe, die der Anwalt nennt, basieren auf einer schwer zu erklärenden Fehleinschätzung beziehungsweise sind gegenüber den klaren Regelungen des Baugesetzbuches nachrangig (siehe Punkt 2). Letzteren Punkt haben Telefonate mit verschiedenen Kommunalaufsichten und Bauordnungsbehörden in Sachsen-Anhalt im Allgemeinen bestätigt.

Die Kommunalaufsicht und das Bauordnungsamt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld haben in Telefonaten mit der Bürgerinitative dargelegt, daß sie sich in die Auseinandersetzung um die fehlenden Unterlagen im Vorfeld nicht einmischen werden, weil sie dazu nicht das Recht haben. Die Verantwortung über das Bauleitverfahren obliege der Stadt. Empfehlungen werde es deswegen von keiner dieser Behörden geben. Die Stadt solle das sozusagen unter sich, also intern, regeln.

Das Landesamt für Umweltschutz, zu dem die Staatliche Vogelschutzwarte gehört, kann in dieser Angelegenheit nichts unternehmen, weil es seine Ansicht hierzu nur auf Anfrage einer Behörde, in diesem Fall also der Stadt Sandersdorf-Brehna, abgeben kann.

Die Stadt wurde wiederholt darum gebeten, die Angelegenheit entsprechend zu diskutieren und sich um eine Klärung zu bemühen (siehe Punkt 3). Darauf erfolgte seit Wochen nicht eine einzige Antwort.

Für eine Verwaltung, die den Anspruch erhebt, korrekt, fachlich sauber und ausgewogen zu handeln, wäre es eine rote Linie, den Stadträten bewußt Falschinformationen vorzulegen.

Für die Stadträte sollte es eine ebenso klare Grenze sein, sich letzteres gefallen zu lassen.

1. Falsche Tatsachen

Die Verwaltung bezieht im Zwischenabwägungsbericht hinsichtlich des Themas Artenschutz eindeutig Position:

Die zitierte Aussage ist fachlich falsch. Die Artenschutzproblematik ist nicht abgeschlossen. Der Abwägungsvorschlag der Verwaltung basiert einseitig auf dem Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde. Kritische Stimmen dagegen werden ignoriert. Dies trifft insbesondere auf das Schreiben der Staatlichen Vogelschutzwarte Sachsen-Anhalt zu. Der Verwaltung liegt dieses seit Anfang Dezember 2023 vor. Es widerspricht den Interpretationen der Unteren Naturschutzbehörde. Damit ist die Diskussion um den Artenschutz nicht „abgeschlossen“. Das sollte den Stadträten in einem „Abwägungsvorschlag“ der Verwaltung entsprechend mitgeteilt werden, da es sich beim Artenschutz um ein Thema handelt, welches nicht weggewogen werden kann. Den Stadträten werden falsche Tatsachen vorgelegt, und das ist seit Monaten der Fall, ohne daß die Verwaltung reagiert.

2. Begründung der Verwaltung für die Nichtaufnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte

Die Stadt Sandersdorf-Brehna zieht als Grundlage für ihr Handeln ein anwaltliches Schreiben vom 9. Februar 2024 heran.
Dieses nennt zwei Begründungen, warum die Staatliche Vogelschutzwarte ignoriert werden kann:

  1. Das Schreiben sei der Stadt nicht direkt, sondern durch die Bürgerinitiative zugestellt worden.
  2. Die Informationen, die die Vogelschutzwarte nennt, seien in vorherigen Stellungnahmen bereits genannt worden.

Zu Begründung 1: Das Schreiben des Anwalt nennt keine rechtliche Grundlage für diese Interpretation. Auch die Verwaltung führt eine solche nicht an. Gespräche mit verschiedenen Kommunalaufsichtsbehörden und Bauordnungsämtern aus Sachsen-Anhalt haben ergeben, daß es sich hier um einen Aspekt handelt, der, falls überhaupt zutreffend, gegenüber den Regelungen des Baugesetzbuches nachrangig ist. Das Baugesetzbuch sagt eindeutig aus, daß Stellungnahmen, die a: der Stadt bekannt sind und die b: neue und relevante Informationen beinhalten, Teil der Abwägung sein müssen.

In einem ersten Schreiben an die Stadt vom 16. Januar 2024 stellt das selbst der genannte Anwalt fest:

Aber selbst, falls Punkt 1 in irgendeiner Weise zu beachten wäre, hätte die Verwaltung seit Anfang Dezember genügend Zeit gehabt, die Vogelschutzwarte zu kontaktieren und sich das Schreiben noch einmal „korrekt“ zusenden zu lassen. Das wäre ihre Pflicht, da das Schreiben der Vogelschutzwarte abwägungserheblich ist und die Stadt die Verantwortung über das Bauleitverfahren trägt. Dazu gehört es auch, den Stadträten zu einer Abwägung die bisher eingegangenen relevanten Stellungnahmen vorzulegen.

Es ist aber nichts geschehen. Die Verwaltung ignoriert mit diesem Vorgehen die maßgebliche Stellungnahme einer wichtigen Landesbehörde.

Zu Begründung 2:

Das Schreiben des Anwalts verweist darauf, daß die Stellungnahmen der Bürgerinitiative und der Staatlichen Vogelschutzwarte keine neuen Informationen bereit halten und die genannten Sachpunkte im wesentlichen bereits zuvor genannt worden seien. Das ist ein Versuch, sich doch noch auf die Regelungen des Baugesetzbuches zu beziehen. Im folgenden die entsprechende Stelle aus dem Schreiben:

Diese Aussage des Anwalts ist bewiesenermaßen falsch. Die Aspekte, die die Bürgerinitiative und die Vogelschutzwarte äußern, konnten zuvor in keiner einzigen Stellungnahme, welcher Art auch immer, eine Rolle gespielt haben. Das trifft sowohl auf Stellungnahmen Träger öffentlicher Belange als auch auf private Schreiben innerhalb der beiden in Betracht kommenden Bauleitverfahren „Nördlicher Teil der Kieswerkstraße“ als auch „Teiländerung des Flächennutzungsplans“ zu. Der Grund, weshalb das Thema unmöglich bereits zuvor besprochen worden sein kann, ist, daß das Amtshilfegesuch erst nach dem Eingang aller in Betracht kommenden Stellungnahmen erfolgt ist. Mit dem Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde wurde das Amtshilfegesuch im Oktober 2023 beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt waren alle möglichen Stellungnahmen bereits seit mindestens zwei Monaten bei der Stadt eingegangen. Die beiden Schreiben der Bürgerinitiative und der Vogelschutzwarte jedoch beziehen sich explizit auf die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom Oktober 2023. Thematisch hat die Untere Naturschutzbehörde eine neue Debatte hinsichtlich der Auswirkungen von Sanierungsarbeiten auf die Habitate wertgebender Arten im Plangebiet eröffnet. Diese Diskussion war zuvor nicht existent. Indem sowohl die Bürgerinitiative als auch die Vogelschutzwarte auf diese neue Diskussion eingehen, können sie sich unmöglich auf vergangene Stellungnahmen beziehen. Das ist schlichtweg unmöglich. Trotzdem behauptet dies der Anwalt.

Zusätzlich zu diesem Irrtum widerspricht sich der Anwalt selbst. In einem ersten Schreiben an die Stadt vom 16. Januar 2024 stellte er fest, daß die Stellungnahme der Vogelschutzwarte abwägungsrelevant sei. Zitat:

Abgesehen davon, daß die Mail ein Datum enthält (7. Dezember 2023), konterkariert der Anwalt in seinem zweiten Schreiben vom 9. Februar 2024 nun diese Aussage, indem er fälschlicherweise konstatiert, daß die Informationen ja nicht neu seien.

Das ist chaotisch und keine juristisch abgesicherte Grundlage, auf der man rechtfertigen kann, daß man ein entscheidendes Schreiben des Landesamtes für Umweltschutz bewußt ignoriert.

3. Untätigkeit der Verwaltung

Die Bürgerinitiative möchte hiermit kritisieren, daß in der besprochenen Angelegenheit Anfragen von verschiedenen Seiten von der Verwaltung seit Wochen nicht beantwortet und ignoriert werden.

Die Bürgerinitiative hat seit dem 13. Februar 2024 mehrere Mails an den Fachbereich „Ordnung und Recht“ der Stadt, an die Bürgermeisterin, das Bauamt der Stadt sowie an den Stadtratsvorsitzenden gesandt. In diesen Schreiben bittet die BI um Antworten auf verschiedene Fragen und um eine Klärung der Situation.

Es kam bisher nicht eine einzige Antwort.

Wir haben in der Einwohnerfragestunde des HFA am 6. März mehrere Fragen, besonders in Hinsicht auf das Schreiben des Anwalts, gestellt. Inhaltlich ging die Verwaltung darauf nicht ein einziges Mal ein, sondern verwies lediglich darauf, daß man die Zwischenabwägung ohne die Stellungnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte durchführen werde.

Der Vorsitzende des WBOU (Wirtschafts- Bau-, Ordnungs- und Umweltausschuss), Andreas Wolkenhaar (CDU), hat die Verwaltung zudem bereits in der Sitzung am 12. Februar gebeten, ein Sondertreffen einzuberufen, um über das Thema „fehlende Unterlagen“ zu informieren und zu einer Lösung zu gelangen. Dieser Vorschlag wurde vollständig ignoriert.

4. Fazit:

Die Bürgerinitiative bittet den Stadtrat darum:

  1. nicht mit zweierlei Maß zu messen. Die Stadträte sind unserer Erfahrung nach bei den geringsten Angelegenheiten sehr genau. Warum nicht auch in diesem Fall?
  2. seinen Anspruch, fachlich korrekt informiert zu werden, nicht aufzugeben.
  3. die Verwaltung nachdrücklich aufzufordern, die Stellungnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte in die Zwischenabwägung aufzunehmen und die Falschinformation zum Artenschutz zu korrigieren und mit dem fachlich aktuellen Stand zu vereinbaren

Geschieht das nicht, akzeptiert die Mehrheit der Stadträte, daß man in einer Zwischenabwägung zu einem für das Verfahren entscheidenden Aspekt ohne jede Konsequenz Falschinformationen verbreitet.

Die Mehrheit der Stadträte akzeptiert dann außerdem, daß man wesentliche kritische Stimmen aus fadenscheinigen Gründen seit Monaten ignoriert und gleichzeitig nicht die geringsten Anstrengungen unternimmt, um eine Klärung herbeizuführen.

Die Mehrheit der Stadträte nimmt des Weiteren in Kauf, daß sich die Stadt auf das Schreiben eines Anwalts beruft, welches im Widerspruch zu den Regeln des Baugesetzbuches steht und in seiner Begründung ebenfalls von beweisbar falschen Grundlagen ausgeht.

Damit akzeptiert der Stadtrat viertens, daß die Abwägung grob verzerrt wird. Den Stadträten wird es auf diese Weise unmöglich gemacht, ein ausgewogenes Urteil zu fällen. Eine notwendige Diskussion zum seit Monate geltenden Sachstand wird darüber hinaus verhindert. Die Verwaltung und der Stadtrat schaffen einen Präzedenzfall dafür, daß man die Stellungnahme einer wichtigen Behörde willkürlich ignoriert.

Die Verwaltung ignoriert mit ihrem Vorgehen das Baugesetzbuch, in dem klar geregelt ist, daß Information, die der Stadt vorliegen und die neu und relevant sind, Teil der Abwägungen sein müssen.

Die Verwaltung verstößt gegen diese Regelung. Bisher war der WBOU der einzige Ausschuss, der all das kritisiert und entsprechend gehandelt hat.

Im Folgenden eine kurze Zusammenstellung, gegen welche Richtlinien, Gesetze und Ratschläge die Verwaltung verstößt:

(Anwaltliches Schreiben an Frau Meißner vom 9. Februar 2024. Die Stadt ignoriert den Passus „auf Grund der bislang vorliegenden Stellungnahmen“, indem sie die Vogelschutzwarte nicht aufnimmt.)

(Anwaltliches Schreiben an die Stadt Sandersdorf-Brehna vom 16. Januar 2024. Es wird das BauGB zitiert und eindeutig festgestellt, welche Kriterien wichtig sind. Beide treffen auf die Vogelschutzwarte zu.)

(Anwaltliches Schreiben an die Stadt Sandersdorf-Brehna vom 16. Januar 2024. Die Abwägungserheblichkeit der Staatlichen Vogelschutzwarte wird erneut bestätigt. Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, die es der Verwaltung gestattet, eine abwägungserhebliche Unterlage in einer fakultativen Zwischenabwägung grundlos zu ignorieren.)

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